Ein dunkles Licht

Stasi-Gefängnis 14. April 1985

23 Uhr.

Schubert (falls er so heisst) macht Schluss für heute.
Bis morgen dann.
Ich kann es kaum erwarten :P

Stasi-Untersuchungsgefängnis in Leipzig, Beethovenstrasse 2. Diese Fotos wurden von einem Bürgerrechtler aufgenommen, der während der Revolution von 1989 die Stasi-Zentrale in der Leipziger Runden Ecke gestürmt hatte.

Er ruft einen anderen Uniformierten, der mich in eine Zelle führt.
Das ist die erste Gefängniszelle in meinem Leben.
Bei allen bisherigen Begegnungen mit der Staatsmacht kam ich einer Zelle am nächsten, wenn ich in einem Polizeiauto oder einem Verhörraum sass.

Alles ist ist abgeriegelt, totenstill.
Sieht wirklich aus wie eine Filmszene.
Mit mir darin.

Der Wachmann fragt mich, ob ich hungrig sei.
Ich lehne das Essen erneut ab.
Er bringt es trotzdem.
Ich rühre es nicht an.

Die Zelle ist etwa 3,5 x 2 Meter groß.
Ein hartes Bett, ein kleiner Tisch, ein winziges Waschbecken, eine Toilette ohne Deckel.
Kein Bettzeug. Nur eine Matratze und eine Filzdecke, die zu klein ist und juckt.

Eingesperrt.
Ich hasse das Klappern des Schlüsselbundes.
Durch den 30x30cm großen Glasbaustein dringt tagsüber vermutlich kaum Licht.

Mein Körper fühlt sich wund an.
Ich denke an meine Eltern, meinen Bruder.
Was wird morgen passieren, in einer Woche, in einem Jahr?

Nach etwa 15 Minuten leuchtet über der Tür für etwa 3 Sekunden ein heller Scheinwerfer auf.
Das wiederholt sich alle 15 Minuten die ganze Nacht.
Nach ein paar Stunden öffne ich im Dunkeln die Augen und habe das Gefühl, dass jemand neben mir steht.
Da ist niemand.

Nur mein tiefer Atem und mein Hunger.

*Zeitzeugenbericht -> Beginn. Dieser Blogeintrag ist Teil eines linear erzählten Zeugenberichts des Zeitzeugen Jens Thieme der 1985-1986 als politischer Häftling in verschiedenen DDR Gefängnissen vom DDR Ministerium für Staatssicherheit eingesperrt wurde. Stasihaft, Stasi-Haft, Stasi Haft, Stasigefängnis, Stasi-Gefängnis, Stasi Gefängnis.